Machtverhältnis oder Partnerschaft?

April 2, 2022 Von 61360506

Seit ich begonnen habe, mein Verhältnis zum Lebewesen „Pferd“ zu hinterfragen, muss ich mich immer wieder auseinandersetzen mit meiner Definition von „Partnerschaft“. Ich denke ich habe den Begriff, wie vermutlich viele andere, bisher meist recht unreflektiert benutzt. Das Wort alleine hat ja auch schon mehrere Bedeutungen, bzw. kann in vielerlei Hinsicht genutzt werden: Sexuell, wirtschaftlich, politisch etc. Die Bedeutung von „Partnerschaft“ bezogen auf den Umgang mit dem Pferd hat sich für mich in den letzten Jahren maßgeblich verändert, bzw. vertieft.

Oberflächlich betrachtet ging ich viele Jahre wohl eher von einer „Sportpartnerschaft“ aus, selbst wenn ich nie auf Turnieren wirklich aktiv war. Dahinter verbarg sich die Annahme, dass beide sich wohl fühlen müssen, dass die Ziele des „Sports“ aber maßgeblich sind.

Damit meine ich, dass „Leistungen“ erbracht werden wollten, bzw. sollten, von Pferd und Mensch gemeinsam. Dies begründete die „Partnerschaft“. Dabei heißt Leistung nicht unbedingt „Turniererfolg“, es gibt auch eine Leistungsorientierung im Freizeitsport: Erreichen bestimmter Lektionen, Überwinden von Hindernissen, Bewältigung gewisser Strecken, das Absolvieren von Kursen oder das Ablegen von Abzeichen.

Um eine Aufgabe im Pferdesport zu bewältigen ist also die Zusammenarbeit von Mensch und Pferd nötig. Doch fraglich ist das Gewicht der jeweiligen Stimme innerhalb dieser Verbindung. Wer ist hier der/die Tonangeber:in und bestimmt, was gemeinsam getan wird und wer muss sich eher fügen? Und was passiert, wenn dieser Part sich nicht fügt? Wann reden wir eigentlich noch von Partnerschaft und wo beginnt die Diktatorenschaft?

Die Antwort ist nicht leicht, denn Pferde sind Herdentiere, sie sind von Natur aus darauf aus, den Weg der größtmöglichen Sicherheit zu gehen. Was genau das bedeutet, hängt sehr vom Charakter des Pferdes ab, doch letztlich brauchen sie andere Lebewesen, um sich sicher zu fühlen und sind auch bereit sich jemandem unterzuordnen, der sie zu beschützen vermag und sich um sie sorgt. Das macht sie sehr leidensfähig und gibt uns vielleicht auch zu schnell das Gefühl, das Pferd sei einverstanden mit unseren Anforderungen. Sollte es dann doch mal lautstark protestieren (Steigen, Buckeln, Beißen, Treten, Verweigern, Durchgehen), werten wir die als „Ungehorsam“. Doch wenn es so etwas wie Ungehorsam im Zusammensein mit dem Pferd gibt, dürfen wir dann noch von „Partnerschaft“ sprechen? Wenn unser:e Lebenspartner:in anderer Meinung ist, als wir selbst, würden wir sie:ihn dafür bestrafen? Welcher Art ist in diesem Fall die Beziehung?

Doch wie gelingt eine Partnerschaft mit einem Lebewesen, das unsere Sprache nicht (oder nur unzureichend) spricht und das auch wir nicht immer verstehen können?

Wie kann ich Führung übernehmen ohne zu unterdrücken?

Wie können die Bedürfnisse des Pferdes mit meinen in Einklang gebracht werden?

Welches Recht von Bedürfniserfüllung gegenüber dem Pferd habe ich überhaupt?

Diese Liste von Fragen könnte ich noch unendlich erweitern, jeden Tag kommt ein neues Fragezeichen hinzu. Manchmal jedoch kann ich auch Ausrufezeichen setzen. Wenn es mir zum Beispiel gelungen ist, auf mein Pferd zu hören und dabei die gestellte Anforderung für einen Moment zurückzustellen, sie vielleicht zu hinterfragen und dennoch das eigentlich Ziel und meine Klarheit nicht zu verlieren.